SOLD CITY – Vom Schicksal, gut zu wohnen

Ein Patrizierhaus mit mehr als hundert Wohnungen. Im vierten Stock ein wunderbarer Balkon mit Blick auf einen weitläufigen Park. Das über 100 Jahre alte Parkett der Wohnung hat in den vergangenen 30 Jahren das Aufwachsen von vier Kindern fast ohne Kratzer überlebt. Türen mit Bleiverglasungen im Jugendstil werden von Türrahmen mit kunstvollen Holzschnitzereien umfasst. 3,50 Meter hohe Decken sind mit feinstem Stuck verziert. Alles für eine Bestandmiete von 750€. Ja, da kann man schon neidisch werden!

Vor 10 Jahren kam die Wende. Zunächst nur ein Schreiben, die Miete müsse fortan auf ein neues Konto überwiesen werden. Keine Mieterhöhung. Aber dass das Haus an einen Fond mit Sitz in den Malediven verkauft wurde, machte ein mulmiges Gefühl. Als dann das Dach leckte, kümmerte sich die neue Verwaltung nicht um die Reparatur. Selbst als das Fallrohr über der Wohnung leckte, war trotz aller Anrufe niemand erreichbar. Wasserschäden nervten die ersten Mieter derart, dass sie auszogen. Nicht zu verstehende Bauarbeiter in Turnschuhen und T-Shirts begannen sogleich in den leeren Wohnungen mit Modernisierungsarbeiten.

Der Läm und Dreck triebt dann immer mehr Mieter aus dem Haus – befördert von Abfindungsangeboten und derben Kündigungsdrohungen. Nach 10 Jahren wohnt hier nur noch die Familie im vierten Stock – nachts öfters gefordert, mit Kübeln das vom Stuck tropfende Wasser aufzufangen. In den anderen Wohnungen ist jetzt zu sehen, was hier Modernisierung bedeutet: Das wertvolle Parkett ist überall herausgerissen ebenso die geschnitzten Türrahmen, das eingelassene bemalte Bleiglas zerschlagen ebenso wie der Stuck.

Modernisierung als stillose Barbarei Welchen Sinn kann das haben? Ganz einfach: Das Patrizierhaus ist in den 10 Jahren um das Fünffache wertvoller geworden. Jede steril modernisierte Wohnung wird anschließend für mehr als 1 Millon € als Eigentumswohnung verkauft. Für viele ist das nur eine Kapitalanlage und kann dann jenseits von 30 € / qm vermietet werden. Zumindest für den Fond ergibt das eine satte Rendite.

Schläft die Politik, die das zuläßt? Nicht ganz. Ausgerechnet im sog. Baulandmobilisierungsgesetz haben kürzlich SPD-Bundestagsabgeornete gegen den beinharten Widerstand der CDU durchgesetzt, dass Städte die Umwandlung in Eigentumswohnungen erschweren und auch verbieten können, wenn in einem Haus mit mehr als 5 Wohnungen zwei Drittel der Mietparteien gegen die Umwandlung sind. Zweifellos ein Fortschritt – der leider aber nicht greift, wenn es dem „Investor“ gelingt, das Haus komplett zu entmieten. Und viele der im Hauskauf aktiven Fonds haben mittlerweile eine eigene Abteilung, die erforscht, wie staatliche Verbote effektiv umschifft werden. So gibt es schon jetzt, und bald noch viel mehr erfolgreiche Wege, die das Umwandlungsverbot umgehen – wenn nur eine hohe Rendite winkt.

Nur Maßnahmen, die an die Wurzel des „Betongolds“ gehen, haben ein Chance, diese Invasion ernsthaft zu gefährden. Dies könnte die Berliner Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ durchaus leisten. Eine Mehrheit im Volksentscheid am 26.09.2021 würde eine Wende in der Wohnungspolitik für ganz Deutschlands bedeuten. Deshalb der Aufruf an alle: Mobilisieren Sie Ihre Freunde, Bekannten, Kolleg*innen und Verwandte mit Wohnsitz in Berlin! Ein „Ja“  im Berliner Volksentscheid am 26.09.2021 könnte uns allen helfen!