Das System Vonovia
Es werden wieder Banken gerettet. Nur darf man es nicht mehr „Bankenrettung“ nennen – zu schlechte Erinnerungen. Bei der ersten gescheiterten Kalifornischen Bank SVB war die kleinste gerettete Einlage immerhin 6 Mio. US-Dollar wert. Für die abgestürzte Credit Suisse zahlte die UBS 3 Mrd. €, die Schweizer Steuerzahler 9 Mrd. € und 200 Mrd. Schweizer Franken Kredit. Wieder werden Superreiche mit Steuergeldern der kleinen Leute gerettet und Christian Lindner versichert, in Deutschland könne das nicht passieren.
Razzia in der Vonovia Konzernzentrale
Auch der größte europäische Wohnungskonzern Vonovia ist in Gefahr. Die Wert der Aktien hat sich halbiert. Und bei der Präsentation des Geschäftsberichts 22 schlägt der Vonovia-Vorstand sogar vor, die heilige Kuh zu halbieren: die Dividendenausschüttung für die Aktionäre. Und dann durchsuchen Polizei und Steuerfahnder am 7. März noch die Konzernzentrale in Bochum. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts auf Bestechlichkeit, Betrugs und Steuerhinterziehung. Vier Personen wurden verhaftet. Der Vorwurf: Vonovia-Angestellte sollen Geld- und Sachleistungen erhalten haben, um bestimmte Baufirmen bei der Vergabe von Aufträgen zu bevorzugen. Es sollen auch Leistungsverzeichnisse manipuliert worden sein, um Kosten für Leistungen abzurechnen, die gar nicht erbracht wurden. Die Geschädigten sind die Mieter. Denn sie zahlen die gefälschten Rechnungen über Modernisierungsmieterhöhungen und Nebenkosten.
Kein Einzelfall
Viel Vonovia Mieter*innen haben es schon erlebt: Modernisierungsarbeiten wurden bei Mieterhöhungen abgerechnet, obwohl sie noch gar nicht abgeschlossen waren. Jeder Mieter, der die „Vonovia-App“ nutzt, kann beobachten, dass die dort aufgeführte Arbeitseinsätze oft nicht stimmen. Bei den „Phantomabrechnungen“ handelt es sich keineswegs um Einzelfälle. Sie gehören durch die intransparenten Abrechnungen zum System Vonovia, wo konzerneigene Dienstleistungsfirmen Rechnungen an den Konzern schreiben und Mietern die Originalrechnungen in der Regel verweigert werden. Wohnungskonzerne sind in erster Linie ihren Anteilseignern mit optimal hohen Renditen verpflichtet. Ihre Mieter*innen müssen dafür bezahlen. Wozu brauchen wir diese Konzerne? Die Rückführung ihres Wohnungsbestands in öffentliche Hand wäre die einzige vernünftige Lösung.
Und nun noch eine gute Nachricht
Ein wirklicher Profigrafiker hat für den Film SOLD CITY ein passendes neues Outfit geschaffen. Flyer und Plakat – siehe anbei. Und es gibt einen neuen Filmuntertitel: SOLD CITY – Wenn Wohnen zur Ware wird. Ein großer Schritt für die im Anfang 2024 bevorstehenden Filmkampagne für ein Wohnen ohne Rendite mit der Premiere des Films!
Mieten steigen und Mieter*innen werden ärmer
Wir nähern uns langsam den letzten Dreharbeiten für den Film SOLD CITY. Zuerst waren wir in Berlin, wo ein wahre Epedemie von Zwangsräumungen wegen Eigenbedarfskündigung wütet. Ob der Schuster, die pensonierte Lehrerin, der BVG-Busfahrer oder die alleinerziehende Mutter, sie alle müssen in ein paar Wochen ihre Wohnung, ihre Lebensbasis räumen, weil reiche Mitbüger oder Unternehmen in der Gier, noch reicher zu werden, jede menschlichen Maßstäbe verloren haben. Im Gegensatz dazu die wahrhaft Aufrechten des Bündnisses gegen Zwangsräumung. Dann kam München - eine ganz andere Geschichte. Auch hier ein wirklich Aufrechter, der Oberbürgermeister der Stadt, der eine Hoffnung hat: Alle Münchner sollen in München bleiben können. Um dem Run auf das Betongold etwas entgegenzusetzen, hat der OB mit der sog. „Sozialgerechten Bodennutzung (SoBoN)“ und dem „sektorialen Bebauungsplan“ ein scharfes Schwert geschaffen. Wer hier bauen will muß 60% der Wohnfläche für geförderten Wohnungsbau zur Verfügung stellen. Und die Sozialbindung läuft nicht nach 20 Jahren aus, sondern erst nach 40. Solch Einsatz für Mieter*innen wird nur noch in Wien getoppt – unserer letzten Station der Drehreise. Hier müssen Immobilienunternehmen, die auf eigenem Grund mit neuem Baurecht Häuser errichten, zwei Drittel der Wohnfläche für geförderten Wohnungsbau mit einer Nettomiete von 5€ zur Verfügung stellen. Wenn das wirtschlaftlich nicht machbar ist, „dürfen“ sie die zwei Drittel an die Stadt abtreten.
Doch die Mieten steigen
Der Aufrechten gibt es aber leider zu wenige. Im letzten Quartal des Jahres 2022 waren die Mieten in Deutschland lt. dem Institut der deutschen Wirtschaft in Deutschland durchschnittlich um knapp 6% gegenüber dem Vorjahresquartal gestiegen. Auch in den ländlichen Regionen sind sie enorm gestiegen. Aber in den städtischen Ballungsräumen lag der durchschnittliche Anstieg weit über 6%. Bei einer Inflationsrate von 8,7% müssten städtische Mieter eine jährliche Lohnerhöhung von 15,5% haben, um den Lebensstandard zu halten. Wer hat das schon geschafft? Wir sind erheblich ärmer geworden, während die Unternehmen der 1% reichsten Milliardäre ihre Gewinne verdoppelten.
Die Modernisierungsumlage als Mietpreistreiber
Gerne rühmen sich große Wohnkonzerne wie Vonovia der Nachhaltigkeit. Sie wird im Wesentlichen erzielt durch energetische Modernisierungen. 8 Prozent der Modernisierungskosten dürfen die Vermieter auf die Jahresmiete aufschlagen — nicht nur, bis die Kosten der Modernisierung abgegolten sind, sondern dauerhaft. Die Mieter können dadurch zwar Heizungs- und Warmwasserkosten sparen – sie betrugen 2021 durchschnittlich 1,21 € pro Quadratmeter und werden durch die Modernisierung in etwa halbiert. Weil aber dadurch noch die Modernisierungsumlage hinzukommt, steigen diese Kosten auf mindestens 1,96€ pro Quadratmeter. Und das nur, wenn der Vermieter mit großem Verwaltungsaufwand alle Fördermöglichkeiten ausschöpft. Wenn nicht steigen diese Kosten auf 3,50€ pro Quadratmeter. So oder so für die Mieter bedeutet diese „Nachhaltigkeit“ der Vermieterrendite auf jeden Fall eine dauerhafte saftige Mieterhöhung. Dies müsste nicht sein. Bei der in Skandinavien üblichen Teilwarmmiete ist der Grundbedarf an Wärme in der Miete inklusive. Energetische Modernisierungen dürfen nicht für Mieterhöhungen herhalten. Trotzdem gibt es für die Vermieter einen Anreiz zur energetischen Modernisierung. Sie selbst haben dann geringere Kosten für die Bereitstellung der Wärme.
Nichts ändert sich ohne den Druck von unten
In Frankreich gibt es Generalstreiks und Demos von Millionen, wenn Rechte und Einkommen in Gefahr sind. Warum regt sich bei uns nichts, wenn wir durch Mieten und Inflation ausgenommen werden?
Wir dürfen einfach nicht hinnehmen, dass nur noch Reiche und Besserverdienende in den Städten wohnen und der Rest verdrängt wird.
So werden Sachzänge konstruiert
“Neubau rechnet sich nicht mehr” und Wohnungen verzweifelt gesucht” sind die Schlagzeilen des neuen Jahres 2023. Es fehlten 700.000 Wohnungen. Immer mehr ökologische Vorschriften, eine lahme Bürokratie für Baugenehmigungen und steigende Zinsen steigere die Baukosten derart, dass nur noch Wohnungen mit mindestens 20€ Kaltmiete für den Quadratmeter gebaut werden könnten. Angebliche Sachzwänge, die weitere Mieterhöhungen quasi erzwingen.
In einer einseitig blinden Presse. Ja, die Baupreise sind tatsächlich in etwa derart gesteigen. Doch den größten Preistreiber verschweigen alle: Z.B. in München entstehen bereits 80% der Kosten für einen Neubau durch den Erwerb des Grundstücks. Nur 20% kommen auf die so beklagten steigenden Baukosten. Der größte Brocken der Kosten eines Neubaus ist somit immer der so unglaublich teurer gewordene Grund und Boden.
Der größte Kostenfaktor wird nie erwähnt
Warum wohl? Weil er die glücklichen Grundbesitzer im Schlaf reich macht? Ohne diese 60-80% Kosten, die nur die Reichen reicher machen, wäre alles Bauen um 60-80% günstiger! Das sollte vor allem Kommunen interessieren. In Hamburg und Basel haben Volksentscheide prinzipiell das Verbot durchgesetzt, kommunales Land zu verkaufen. In Basel gibt es sogar eine Bodenmehrwertabgabe, vermittels derer die Stadt bei der Erklärung zu Bauland u.ä. die Wertsteigerung des Bodens zu 40% abschöpft. Auch München hat mit der neuen Sozialgerechten Bauordnung (SOBON) ein ähnliches Instrument geschaffen, mit der die Stadt 30% dieser Bodenwertsteigerung abgreift und damit den kommunalen Wohnungsbau stärkt. Alternativ zwingt die SOBON die Investoren, 60% des Neubaus als Sozialwohnungen mit 60 Jahre Bindung zu vermieten.
Am effektivsten aber wäre zumindest in Deutschland, wenn der Berliner Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ umgesetzt werden kann. Dann würden nicht nur die Wohnungen der großen Wohnkonzerne enteignet. Auch ein ungeheuer großer Teil des Berliner Bodens wuerde in Gemeinwohl überführt. Und der kann dann nie wieder als Kosten für Um- und Neubauten derart ins Gewicht fallen.
Verschweigen konstruiert sogenannte Sachzwänge. Die werden wir uns nicht bieten lassen!
Wir haben es fast geschafft!
Mit Ihrer Hilfe, mit Ihrem Beitrag, haben wir das Ziel fast erreicht: 120.000 EURO „Filmförderung von unten“ bis zum 01.03.2023! Es fehlen nur noch 192,40€. Dann ist die offizielle Filmförderung gesichert. Der Film kann dann voll umfänglich entstehen. Seit das Projekt vor 20 Monaten ans Licht der Öffentlichkeit trat, haben Sie und mit Ihnen mehr als tausend engagierte Bürgerinnen und Bürger jeden Tag im Schnitt 196,41 EURO gespendet. Manche haben sogar große Summen und andere auch drei bis viermal gespendet, um zu helfen, dass das Ziel erreicht wird.
So viel selbstlose Solidarität und Engagement sind eine großartige und starke Kraft. Das kann uns allen Mut verleihen. Explodierende Mieten in großen Städten und Immobilienspekulanten haben einen starken Gegner: Die gemeinsame Kraft!
Zeitenwende am Wohnungsmarkt?
Unbemerkt für viele, die unter den immer unerträglicher steigenden Kosten für das Wohnen leiden, hat sich eine Zeitenwende mit noch unklarem Ausgang vollzogen. Seit 2008, seit der Finanzkrise bis zu Beginn dieses Jahres waren die Mieten, die Immobilienpreise und die Aktien der Wohnungskonzerne Jahr für Jahr ins Unermessliche gestiegen. Doch seit die EZB die Nullzinsen wegen der Inflation ins merklich Positive angehoben hat, wurde der Wert der Aktien aller Wohnungskonzerne in kürzester Zeit mehr oder weniger halbiert.
Wetten auf stetig steigende Grundstücks- und Immobilienpreise
Der vergangene Anstieg der Aktienwerte hatte zwar auch mit der Aussicht auf steigende Mieten zu tun. Vonovia z.B. plant seit Jahren eine jährliche Mieterhöhung von durchschnittlich 4% ein. Das macht Jahr für Jahr schon nach 18 Jahre z.B. aus 800€mtl. 1.620€ mtl. Miete. Und bei der heutigen Inflation und den steigenden Betriebskosten sind das dann real schon über 2.400€ Miete. Wer soll sich das dann noch leisten können?
Doch nicht allein die Mieterhöhungen haben den Wert der Immobilienkonzerne in den letzten Jahren so sehr in die Höhe getrieben. Vor allem hat die Aussicht auf stetig steigende Boden- und Immobilienpreise die Fonds und Aktien schwindelerregend nach oben getrieben und neue Käufe und Übernahmen ermöglicht.
Damit ist es jetzt Schluss
Nicht nur die wesentlich höheren Zins-Kosten dieser durchweg kreditfinanzierten Unternehmen, bringen die Kalkulation dieser Konzerne ordentlich ins Wanken. Aber auch die Aussicht auf stagnierende und teils auch schon fallende Preise der einst teuer erkauften Wohnimmobilien
Das könnte uns eigentlich alles egal sein,
wenn jetzt nicht ein knallharter Machtkampf drohte. Natürlich werden Vonovia&Co nicht tatenlos zusehen, wie ihnen die Aktionäre und Anleger davonlaufen. Wenn schon die Aussichten auf steigende Immobilienwerte und Firmenübernahmen verbaut sind, bleibt im Wesentlichen nur noch eine Stellschraube, um die Rendite zu steigern:
Noch stärker steigende Mieten in allen Formen - das ist es, was uns jetzt droht
Solange die Rendite beim Wohnen das Maß aller Dinge ist, werden wir solchen Drohungen ausgesetzt sein. In Berlin haben vor einem Jahr 59,6% der Wähler für die Enteignung der großen Wohnungskonzerne gestimmt. Mit der Umsetzung dieses Votum wäre der Spuk am Ende, dass wir Mieter*innen auch noch das Wohl von Aktionären und Pensionsfond mit bezahlen müssen. Mit welchem Recht geschieht das eigentlich? Und doch wird die eindeutig demokratische Entscheidung des Volksentscheids jetzt durch Verschleppung und Verschleierung hintertrieben. Wir wissen, es sind dunkle Zeiten.
Doch alles müssen wir uns nicht bieten lassen!
Inflation,Mieten und Enteignung
In den vergangenen Jahrzehnten wurde nach und nach die Miete zur größten Einzelausgabe des Budgets fast aller Mieter*innen. Doch nun in der Zeit der Inflation erhält das Thema Miete noch einmal neue Brisanz.
Indexmieten
Seit ein paar Jahren setzt sich bei Neuvermietung in sämtlichen Wohnungsbaualtersklassen immer mehr der sog. Indexmietvertrag durch. In diesen Mietverträgen steigt die Miete in der Höhe der Inflation. Bei den Neubauten von 2011 bis 2015 machen die Indexmietverträge bei Neuvermietung zum Beispiel in Hamburg sogar schon fast die Hälfte der Mieterhöhungen aus. Gerade Haushalte in teuren Neubauwohnungen werden so mit massiven Mietsteigerungen belastet. Allerdings belasten diese Steigerungen auch alle anderen Mieter*innen. Denn der Mietenspiegel ist kein Spiegel aller Mieten in einer Stadt. Er spiegelt im Wesentlichen die Mietsteigerungen der Neuvermietungen. Das hat in Hamburg, wo man stolz auf jährlich 10.000 teure Neubauwohnungen ist, in den letzten Jahren zu überdurchschnittlichen Mieterhöhungen in der ganzen Stadt geführt. Die an die Inflation gekoppelten Indexmietverträge werden nun den Mietenspiegel noch weiter nach oben treiben und damit die Mieten aller.
Betriebskosten
Die zweite Quelle der Mieterhöhungen sind aktuell und vor allem in nächster Zukunft die steigenden Betriebskosten. Dies ist zum einen durch die ausbleibenden russischen Gaslieferungen begründet. Aber gerade bei privaten Wohnungskonzernen wie Vonovia sind durch Insourcing der Gas-, Strom-, Abfall und Internetunternehmen die steigenden Betriebskosten seit Jahren eine Quelle munter sprudelnder Rendite – und jetzt vor allem in Zeiten steigender Energiekosten. Die eigenen Subunternehmer schreiben dem Mutterkonzern fast beliebige Rechnungen und machen steigende Betriebskosten zur einer Sache von höchster Intransparenz.
Inflation als Enteignung
Nicht nur durch höhere Mieten werden wir ärmer. Die Inflation ist insgesamt eine Enteignung. In Deutschland bleibt man gelassen, denn an all dem „ist ja Putin schuld“. Wer glauben will, glaubt. Doch faktisch ist das eine weltweite Inflation. In Ländern wie Großbritannien, die niemals von russischem Gas und Öl abhängig waren, ist die Geldentwertung sogar höher. Nur das gigantische Gelddrucken aller westlichen Regierungen und Zentralbanken in den vergangenen und der gegenwärtigen Krise hat die Inflation geschaffen. Allein zu Beginn der Coronakrise hat die EU 750 Mrd. EUR aus den Nichts geschaffen. Das waren sogar gehebelte Milliarden – hoch riskante Derivate. Natürlich gab es das auch schon in der Finanzkrise.
Doch der Krug rennt zum Brunnen, bis er bricht.
Davor haben wir schon vor zweieinhalb Jahren in „Wer rettet wen? – Reloaded“ gewarnt. Diese gigantische Verschuldung hat erst Banken und jetzt vor allem gefährdete Konzerne wie Lufthansa und Uniper gerettet. Seit Corona sind davon auch einige Brosamen beim gemeinen Volk gelandet, aber nicht zufällig haben die Reichsten der Reichen ihr Vermögen in den letzten 2 Jahren mehr als verdoppelt. Wir 99% müssen dafür mit Enteignung durch Inflation bezahlen. Für die Enteignung von Deutsche Wohnen&Co haben vor einem Jahr 59% der Berliner*innen gestimmt. Seither wurde nur eine Expertenkommission eingesetzt und alles getan, um die Umsetzung des demokratischen Votums zu verhindern.
Enteignung der Massen erlauben – Enteignung der Wohnkonzerne verhindern ???
Die schöne neue Stadt
Wir sind gerade zurück von einer längeren Drehreise nach London – einer Stadt, in der die Verleugnung der Corona-Gefahr Regierungspolitik ist, wo es seit 2 Monaten nicht mehr regnet und ein Hitzerekord von weit über 40 Grad Celsius gemessen wurde.
London
Bis in die 80er Jahre des vergangenen Jahrtausends war London eine der lebendigsten und spannendsten Städte Europas. Das hatte wesentlich damit zu tun, dass in den Jahren nach dem 2.Weltkrieg in einem beispiellosen Bauprogramm städtische Wohnungen mitten im Zentrum, aber auch in allen anderen wohlhabenden Vierteln errichtet wurden. Ende der 70er Jahre wohnten so über 40% der Engländer*innen in attraktiven Kommunalwohnungen mitten in der Stadt. Die Viertel waren sehr sozial durchmischt; Wohnungsnot noch nicht das Thema. Diese Mischung hat sich teilweise bis heute erhalten. Direkt hinter dem touristischen Zentrum an der Tower-Bridge, wo eine Wohnung mehr als 20.000 Pfund Miete im Monat kostet, beginnt ein Viertel mit Kommunalsiedlungen.
Thatchers neoliberale Wende
Doch in den 80er Jahren drückte Margret Thatcher dem Land ihren neoliberalen Stempel auf. Mit dem „Right to buy“ erhielten alle Mieter*innen städtischer Wohnungen das Recht, ihre Wohnung günstig zu kaufen. Gleichzeitig wurde den Kommunen die Mittel zum Ausbau und auch zum Unterhalt der bestehenden kommunalen Wohnungen gestrichen. Das United Kingdom sollte ein Land der Haus- und Wohnungsbesitzer werden. Das änderte sich auch nicht mit den folgenden Labour-Regierungen. Das Kaufrecht wurde nur noch durch die sog. „Share Deals“ ergänzt: Wer kauft, braucht nur 30-40% der Kaufsumme aufbringen. Der Rest ist ein Hypothek, die als statt Miete bedient werden muß. Da die Share Deal-Käufer alle Kosten für Hausreparaturen tragen müssen, schaffen es nur wenige, die Hypothek abzutragen und wirklich Besitzer der Wohnung zu werden. Zwar gibt es heute noch viele kommunale Viertel. Aber dort wohnen nun nur noch wenige Sozialmieter*innen.
Abriss und Neubau
Hinzu kommt, dass seit ca. 30 Jahren viele ehemalige kommunale Viertel abgerissen und unter maßgeblicher Beteiligung privater Bauentwickungskonzerne wesentlich verdichtet neu gebaut werden. Den Bewohnern der kommunalen Wohnungen wird zwar stets versprochen, dass sie in den neuerrichteten später wieder unterkommen können. Doch da die privaten Baukonzerne mit Hinweis auf mangelnde Profitabilität den Anteil an Sozialwohnungen auf verschwindende einstellige Prozente drücken, ist die annähernd komplette Verdrängung der einstigen Bewohner*innen an die Stadtränder Londons die bittere Realität. Auch die, die einst ihre kommunale Wohnung ganz oder als „Share Deal“ gekauft hatten, erleiden ein ähnliches Schicksal, denn die Entschädigung reich nie aus, um eine neue Wohnung im eigenen Viertel zu erwerben. Auf Grund ihrer zentralen Lage sind die ehemaligen kommunalen Siedlungen heute Filetgrundstücke. Und nicht nur die Häuser sind nun in pivater Konzernhand. Wie z.B. in Heygate bei Elefant&Castle sind auch Plätze und Strassen privat. Statt städtischer Polizei regiert hier die Private Security. Betteln, Demonstrieren oder Filmen, alles verboten. Das öffentliche Leben unter privater Kontrolle.
Das schöne, neue London
Thatchers Vision von der Nation der Eigentümer ist aber gründlich gescheitert. Gerade junge Normalverdiener*innen wie z.B. Lehrer*innen könnten heute mit ihrem Einkommen keine Wohnung mehr kaufen. Mehr als 55% der Londoner*innen wohnen mittlerweile zur Miete. Und meist zu horrenden Mieten bei privaten Hauseigentümern, denen sie schutzlos ausgeliefert sind. Denn es gibt praktisch keine Mieterschutzrechte. Ihnen kann jederzeit gekündigt werden. Dann müssen sie in kürzester Zeit die Wohnung räumen
So extrem ist das in Kontinentaleuropa meist nicht. Doch die Tendenz ist in allen Städten dieselbe.
Normalverdiener*innen, die Nachwachsenden und die Alten können mit ihrem Einkommen nicht mehr zentrumsnah oder in ihrem angestammten Viertel eine neue Wohnung finden.
Halbe Miete
Mitten in der größten Inflation seit Jahrzehnten* verdunkelt sich der Horizont für Immobilienspekulanten und Wohnungskonzerne durch die angelaufene Zinswende, die jetzt auch Europa erfasst. Die Frage ist jetzt nur: Wo schlägt der Blitz zuerst ein?
Buchungsgewinne aus dem Nichts
Alle renditeorientierten Wohnungsunternehmen in Europa praktizieren ein finanzielles Schneeballsystem, in dem sich Eigenkapital faktisch aus dem Nichts schaffen lässt. Hintergrund ist der Trick mit Aufwertungen: Wer z.B. einen Gebäudekomplex für 100 Mio.€ kauft, schätzt, dass der in ein paar Jahren 300 Mio.€ wert ist. Dann bekommt er mit der angeblichen Sicherheit von 300 Mio.€ wesentlich höhere Kredite. Auch der größte europäische Wohnungskonzern Vonovia bedient sich solcher Wertberichtigungen jedes Jahr neu. Dieses Jahr wurden die Vonovia-Immobilien um sage und schreibe 7,4 Mrd. € aufgewertet, d.h. eine eigens dafür beauftragte Bewertungsgesellschaft schätzt, dass 2023 der Wert der Vonovia-Immobilien 7,4 Mrd.€ höher als 2022 sein wird. Mit dieser „Sicherheit“ im Rücken verdoppelte Vonovia seine Kreditaufnahme (von 23 auf 45 Mrd.€). Doch diese „Sicherheit“ sind reine Buchungsgewinne aus dem Nichts. Das sind Hebelwirkungen, die einst zur Finanzkrise in 2008 führten. Schon in diesem Mai haben sich die Zinsen – und damit die Kosten - für 10jährige Immobilienkredite verdreifacht. Doch das ist erst der Anfang. Ende Juli 22 will nun endlich auch die EZB die Leitzinsen anheben. Dann ist mit einer Versechsfachung der Kreditkosten zu rechnen. Das werden nicht alle kreditfinanzierten Wohnungsunternehmen verkraften können. Schon jetzt ist der Immobilienkonzern Adler Real Estate auf Ramschniveau abgestürzt. Peach Proterty, Grand City Property, TAG Immobilien und LEG Immobilien sind die nächsten Wackelkandidaten. Ist das der Anfang einer neue Finanzkrise?
Halbe Miete
Beim größten europäischen Wohnungskonzern Vonovia gehen von jedem Euro gezahlter Miete 45 Cent an die Aktionäre. Das ist eine systematische Umverteilung von unten nach oben. Die Vonovia Mieter*innen füttern mit knapp der Hälfte Ihrer Miete Aktionäre aus aller Welt. Wäre das ein öffentliches Unternehmen, könnten die Mieten ohne Probleme fast halbiert werden. Und das gilt mehr oder minder für alle renditegetriebenen Wohnungskonzerne. Trotz satter Gewinne schämt sich Vonovia nicht wegen der derzeitigen Inflation auch noch nach Mieterhöhungen zu rufen. Warum werden diese hochriskant spekulativen Konzerne nicht enteignet? Was spräche dagegen? Sicher, noch ist das ein Traum. Mit Blick auf Berlin vielleicht nicht mehr lange?
Wir dürfen nicht hinnehmen, dass nur noch Reiche und Besserverdienende in Städten wohnen und der Rest einfach verdrängt wird.
Auch in Kriegszeiten standhaft auf Seiten der Wohnungskonzerne
Während wir Corona mit der ersten Sonne wieder einmal fast vergessen haben, scheint nun der Krieg in der Ukraine zur stets wachsenden Bedrückung zu werden. Erste deutsche Politiker schwärmen vom „gerechten Krieg“ und dem wahrscheinlichen Sieg. Die EU verkündet Woche für Woche schärfere Embargos. Und die USA formulieren mit einem 31 Mrd. USD-„Hilfs“-Paket offen das Ziel, Russland dauerhaft zu schwächen, während Putin sich mit der Möglichkeit ultraschneller Schläge gegen die Lieferungen schwerer Waffen brüstet. Doch wie wird der Sieg aussehen, wenn der Besiegte noch über schrecklichste Waffen verfügt, die im Handstreich ganz Europa vernichten können?
Überheblichkeit und die Neigung, stets zu eskalieren, bringen uns in größte Gefahr!
Erschreckend ist auch eine Art Kriegsblindheit unserer Mainstream-Medien. (weiteres siehe dazu ganz unten.) Im Schatten der umfassenden Bedrohung gehen selbst größte Schweinereien leicht unter.
Direkt gegenüber dem 35 Fußballfelder fassenden Koloss´ des BND, die Habersaathstrasse 40-48 in Berlin Mitte. 2006 wurde das einstige Schwesternwohnheim der Charité für 2 Mio. € an einen Arzt der Charité verkauft. Der neue Eigentümer modernisierte den Wohnblock mit 106 Mietwohnungen umfassend. Neben der energetischen Sanierung der Fenster und der Außenhaut erhielt das Dach eine aufwändige Photovoltaik-Anlage. Die Heizung ist an das Fernwärmesystem der Charité angeschlossen. All das wurde 2018 an eine Arcadia Estate weiter verkauft, diesmal für 20 Mio.€. Die wenigen, trotz langer Sanierungs- und rabiaten Entmietungskampagnen verbliebenen Mieter*innen haben noch die alten Charité Mietverträge. Mit deren Miete lassen sich 20 Mio.€ nicht refinanzieren. Deshalb wollte die Arcadia noch einmal modernisieren, entschied dann aber, das durchsanierte Gebäude abzureißen. Ein Neubau mit Luxuswohnungen ist für ein Immobilienunternehmen stets rentabler.
Abrissgenehmigung verweigert
Doch eine engagierte Stadträtin im Bezirk Mitte verweigerte die Abrissgenehmigung und drohte wegen Leerstands mit 500.000€ Strafe pro Wohnung. Gegen all das klagte – wie bei abrisswilligen Unternehmen üblich - auch die Arcadia Estate. Und nach 4 Jahren Verhandlungen hat sie gerade durch ein Präzidenzurteil vorerst gewonnen. Doch mittlerweile hat sich die Habersaathstrasse zum Präzedenzfall für Leerstand und Abriss in Berlin entwickelt. Ein breites Bündnis von Berliner Architektenkammer, Mieterverein und zahlreichen Mieterinis wendet sich nicht nur gegen den sozialen Skandal des drohenden Abrisses von 106 bezahlbaren Wohnungen in Berlin Mitte - bei einer Rekommunalisierung könnten hier z.B. dringend benötigte Pfleger*innen der Charité unterkommen. Der Abriss und Neubau ist auch ein ökologischer Skandal. Die Präsidentin der Berliner Architektenkammer Theresa Keilacker weist darauf hin, dass dadurch Unmengen von CO2 freigesetzt und außerdem zusätzliche Flächen versiegelt würden.
Hoffnung
Gleichzeitig wächst die Hoffnung, dass der Arcadia Estate bald die Luft ausgeht. Bislang kosteten die Kredite für den Kauf des Wohnblocks relativ wenig. Finanzexperten rechnen mit ca. 1% Zinsbelastung. Doch nun hat auch die EZB als letzte in der Welt für Juni steigende Zinsen angekündigt. Früher bei Steigerung der Zinsen von 7 auf 8% war das für die Finanzierung kaum ein Problem. Aber die Steigerung von 1 auf 2% bedeutet mehr als eine Verdopplung der Finanzierungskosten, auch weil sich bei der Arcadia Estate die sog. Verwertung so lange hinzieht.
Rettung durch den grünen Bezirksbürgermeister
Nach den Wahlen im vergangenen Herbst hatte der grüne Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel die Causa Habersaathstrasse an sich gezogen. Und jetzt platzte die Bombe. Von Dassel verkündete, er habe sich mit der Arcadia geeinigt. Der Abriss sei genehmigt. Dafür habe die Arcadia zugestimmt, 30% der neugebauten Wohnungen 10 Jahre lang für 6,50 – 8,50€/qm zu vermieten. Und die bisherigen Mieter*innen könnten zu ihrer alten Miete plus Inflationsausgleich da wohnen bleiben. Aber auch nur 10 Jahre. Bei Eigenbedarfskündigung müssen sie natürlich sofort gehen. Aus der Traum von Pfleger*innenwohnheim der Charité. Die verbliebenen Mieter*innen in der Habersaathstrasse haben die sog. Verwertungskündigung erhalten. Die Umwelt wird grausam geschändet. Doch Arcadia Estate ist dank eines grünen Bürgermeisters gerettet!
Jetzt bleibt nur noch eine vernünftige Lösung: Die sofortige Rekommunalisierung der Habersaathstrasse 40-48!
Nur Öffentlicher Druck auf die Gewählten kann den Abriss noch verhindern. Wir lassen uns nicht von solchen „Volksvertretern“ die Zuversicht rauben. Wir dürfen nicht hinnehmen, dass immer mehr nur Reiche und Besserverdienende in Städten wohnen und der Rest einfach verdrängt wird.
In Krisen- und Kriegszeiten uns ausnehmen
Der Krieg Russlands in der Ukraine nimmt uns wegen der so nahe gekommenen brutalen Gewalt besonders gefangen. Gleichzeitig wirkt er aber wie eine Dampfwalze auf alles, was uns so verzweifelt macht in unserem Alltag.
„Aber was sind steigende Mieten schon und die drohende Verdrängung von Durchschnittsverdiener*innen gegen das Leid der Ukrainer im Bombenhagel? „
Doch Achtung! Es waren schon immer die Krisen und Kriegszeiten, die es Herrschenden besonders leicht gemacht haben, Lohnabhängigen Geld und Rechte abzunehmen. Über Nacht wurden jetzt hundert Milliarden Euro für die deutsche Hochrüstung aus dem Hut gezaubert. Dafür gab es Standing Ovations. Doch unabhängig vom Sinn dieser Milliarden, haben Sie sich schon gefragt:
Wer wird das einst bitter bezahlen müssen???????
Na, das wissen Sie wohl schon. Dass massenhaftes Gelddrucken die Inflation befördert, das stört in diesen Zeiten wohl niemand. Natürlich, der Krieg und die steigenden Energiepreise sind jetzt auch beteiligt. Aber hatten wir nicht schon vor der Kriegsbedrohung mehr als 5% Inflation? Das sind immerhin mehr als 5% Einkommensverlust!
Bauen, Bauen, Bauen nun auf in Berlin
Nach Hamburg soll jetzt auch Berlin das Glück steigenden Wohnungsbaus winken. Dass dies den Hamburger*innen zuletzt durchschnittlich 7,3% Mietsteigerung brachte – die höchste seit Jahren – stört den Berliner Senat wenig. In den Berliner Koalitionsvereinbarungen war vorgesehen, das erfolgreiche Volksbegehren „Deutsche Wohnen&Co enteignen“ auf den gesetzlichen Weg innerhalb von 100 Tagen zu bringen. Statt dessen trafen sich Bürgermeisterin Giffey und Bausenator Geisel in der Zeit schon zwei Mal mit den Vertretern der großen Immobilienkonzerne zum Bündnis Neubau. Und da stört es sie offensichtlich auch nicht, mit Vonovia CEO Rolf Buch zusammen zu sitzen. Hatte der doch gerade erst beim großen Fressen, beim Schlucken von Deutsche Wohnen, den Berliner Senat um Hunderte Millionen Euro Grunderwerbsteuer betrogen - mittels eines sog. Share Deals gemeinsam mit der Deutschen Bank. So etwas festigt wohl die Freundschaft.
Expertenkommission
Kurz vor dem Ende dieser 100 Tage hat der einstige Berliner Innnensenator Andreas Geisel, der jetzt Bausenator wurde, nun doch eine Expertenkommission einberufen, die angeblich die Eckpunkte für ein Vergesellschaftungsgesetz erarbeiten soll. Dass das gelingen wird, darf allerdings bezweifelt werden. Die ehemalige Justizministerin Herta Däubler-Gmelin übernimmt die Leitung der Kommission. Das ist dabei nicht einmal das Übelste. Darüber hinaus wurden drei konservative Verfassungsrechtler benannt, zum einen der ehemalige CDU-Verfassungsrichter Eichberger. Zum anderen zwei exponierte Gegner des Volksbegehrens. Sowohl Christian Waldhoff, Professor für Öffentliches Recht an der Humboldt-Universität, als auch Wolfgang Durner von der Uni Bonn vertreten die Auffassung, dass die Berliner Verfassung einen höheren Eigentumsschutz habe als das Grundgesetz und über dem Vergesellschaftungsartikel 15 des Grundgesetzes stehe. Diese Besetzung steht eindeutig für den Versuch des SPD-geführten Senats, die große Mehrheit der Berliner*innen und ihr
Volksbegehren zur Enteignung der Immobilienkonzerne juristisch auszuhebeln
Die Volksinitiative hat die Möglichkeit, zusätzlich drei eigene Vertreter zu benennen. Doch welchen Sinn hat es, gegen diese juristischen Schwergewichte im Dienste der Immobilienkonzerne zu opponieren? Es wird keine einfache Entscheidung, ob und wenn ja wie sich da die „Initiative Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ beteiligen will.
Zwei Jahre Corona und jetzt der Krieg, das verlangt uns allen viel ab. Und dennoch lassen wir uns die Zuversicht nicht rauben. Wir dürfen nicht hinnehmen, dass immer mehr nur Reiche und Besserverdienende in Städten wohnen und der Rest einfach verdrängt wird.
Die Freiheit in Zeiten des Mietenwahnsinns
In 2021 haben sich die Hauspreise in Deutschland durchschnittlich um 14,3 Prozent verteuert
– in den Städten weit mehr als auf dem Land. Wer in diesen Zeiten als StudentIn ein WG-Zimmer sucht, muss nicht nur ein „Casting“ bestehen. Sie/er zahlt in den meisten deutschen Hochschulstandorten für das eine WG-Zimmer nun schon zwischen 500 – 600€ Miete! Das sind zw. 58% und 59% des Bafög-Höchstsatzes, den allerdings die wenigsten bekommen. Wir FilmemacherInnen können uns noch gut erinnern, dass wir in unserer Studienzeit in den 70er und Anfang der 80er Jahren für ein WG-Zimmer stets nur zwischen 40 DM und 80 DM bezahlt haben. Das waren zwischen 9% und 17% des Bafög-Höchstsatzes.
Wir leben in einem Land, das den Begriff der Freiheit sehr hoch hängt
und anderen Ländern als Vorbild preist. Doch vor 50 Jahren hatten StudentInnen noch durchschnittlich 80% des verfügbaren Einkommens zur freien Verfügung. Heutzutage sind das meist nicht einmal 40%. Die Freiheit, mal nicht nur ans Bankkonto oder an die nächste Klausur zu denken, hat sich in 50 Jahren mehr als halbiert. Auch die Notwendigkeit, nicht nur in den Semesterferien, sondern während des laufenden Semesters zu arbeiten, betraf früher nur wenige. Heute arbeiten fast alle Studenten das ganze Jahr hindurch. Sie haben radikal weniger frei verfügbare Zeit.
Wie kommt es aber, dass trotz des enormen technischen Fortschritts, trotz der fortschreitenden Produktivität, die es pro Arbeitskraft erlaubt, viel mehr zu produzieren als noch vor 50 Jahren, die Freiheit so vor die Hunde geraten ist? Müsste nicht jeder im Schnitt wesentlich mehr frei verfügbare Zeit und mehr Mittel haben, wenn jedeR Lohnabhängige heute so viel mehr Output hat?
Solch grundlegende Überlegungen werden den Film „SOLD CITY“ von allen anderen Filmen zum Thema unterscheiden. Von 2009 bis 2021 haben sich die Hauspreise in Deutschland im Schnitt verdoppelt – in entfernter Fläche kaum, in großen Städten dafür weit mehr. Aber niemand kauft ein überteuertes Haus, wenn es nicht durch steigende Mieten zu refinanzieren ist. Falls das in den nächsten 20 Jahren so weiter geht, werden ca. 80% von uns BürgerInnen nicht mehr in diesen Städten wohnen können.
Das darf nicht sein. SOLD CITY macht Mut, diese Entwicklung in Frage zu stellen. Und er macht Hoffnung auf alternative Lösungen. Selbst im vermeintlich Aussichtslosen ist die Lösung nicht weit.
Bauen, Bauen, Bauen
Für das neue Jahr wünschen wir vor allem Gesundheit und nicht zuletzt auch die tägliche seelische Balance. Selbst in Covid-Zeiten geht das Leben weiter, meist unmerklich und dann auch in großen Schritten. Wahrlich Großes hat in der neuen Regierung auch die Bundesministerin für Bauen und Wohnen Klara Geywitz vor: Jährlich 400.000 neue Wohnungen will sie bauen und damit das Mietendesaster in deutschen Städten entspannen. Möglich sei das mit seriellem Bauen, das auf industriell vorgefertigten Bauelementen beruht und den Wohnungsbau effektiver, schneller und günstiger gestalten soll. Auch für Berlins neue Bürgermeisterin ist das die Lösung der Wohnungskrise. Sie will so jährlich 20.000 neue Wohnungen errichten. Als großes Beispiel dafür gilt Hamburg, wo seit Jahren schon zwischen10.000 und 20.000 neue Wohnungen im Jahr gebaut werden.
Beispiel Hamburg
Nach dieser Ideologie, die den Wohnungsmarkt als Lösung sieht, müssten mit dem erhöhten Angebot an Wohnungen die Mieten fallen. Doch das Beispiel Hamburg weist beim jüngsten Mietenspiegel mit Stichtag 1. April 2021 das Gegenteil aus. Um durchschnittlich 7,3 Prozent sind die Mieten in Hamburg seit 2019 gestiegen - die höchste Mietsteigerung seit Jahren. Ein ernüchterndes Ergebnis für die lt. Senat „konsequente(n) Wohnungsbaupolitik“. Wer kann schon sagen, dass sein Einkommen in dem Zeitraum um 7,3 Prozent gestiegen ist? Bleibt es bei diesen Mietsteigerungen, so hat sich die durchschnittliche Miete aller Hamburger schon nach ca. 19 Jahren verdoppelt. Ein soziales Desaster der „konsequenten Wohnungsbaupolitik“.
Milchmädchenrechnung
In den vergangenen 10 Jahren hat Hamburg zu weit über 70 Prozent teure freifinanzierte Wohnungen und noch teurere Eigentumswohnungen gebaut. Allein deshalb sind diese Mietsteigerungen vorprogrammiert. Und die wenigen Sozialwohnungen dabei fallen nach 20-30 Jahren aus der Bindung. Dort können Menschen mit durchschnittlichem Einkommen dann nicht mehr wohnen. Wenn schon bauen, warum baut die Stadt nicht selbst? Und selbst dann wird es immer schwerer, Wohnungen für Normalverdiener*innen zu errichten. In Städten wie München, Hamburg und zunehmend auch Berlin fallen von den Gesamtbaukosten der Neubauten allein 70 bis 80% für den Erwerb des Baugrunds an – Tendenz rapide weiter steigend! Die Idee vom seriellen Bauen ist nicht falsch, wenn auch nicht neu. Schon in der DDR hatte man das ja versucht. Allerdings wird das angesichts des ungebrochenen Immobilienbooms weiter steigende Mieten nicht verhindern können.
Es gibt viele Wege zu zahlbaren Mieten
Bauen, Bauen, Bauen im Stile Hamburgs hilft da nicht. Im Gegenteil. Der Bau dieser Betonklötze mit Glas und außen aufgeklebter Schaumstoffdämmung mit Klinkeranmutung gehört zu den größten Emittenten von CO2 - alles andere als nachhaltig! Ein erster Schritt wäre, dass Städte eigene Grundstücke nicht mehr verkaufen und sie nur noch per Erbpacht mit sozialen und ökologischen Auflagen zur Verfügung stellen. Warum sollte das nicht möglich sein? Und warum müssen Sozialwohnungen aus der Bindung fallen? In Wien bleiben sie immer Sozialwohnungen – ohne jedes Problem. In München bleibt die Sozialbindung immerhin schon 60 Jahre erhalten.
Wir dürfen nicht hinnehmen, dass nur noch Reiche und Besserverdienende in Städten wohnen und alle anderen verdrängt werden.
Luftschloss Eigenheim
In Deutschland sind weniger als die Hälfte der Haushalte Eigenheimbesitzer. Das ist der zweitniedrigste Wert in Europa. Nur in der Schweiz gibt es noch weniger Eigenheime. Allerdings wohnt eine große Mehrheit der Deutschen zwischen 70 und 79 Jahren in eigenen vier Wänden. Nach dem zweiten Weltkrieg gab es eine üppige Eigenheimzulage – 2004 war diese mit 10 Mrd. € zum größten Sozialposten im Bundehaushalt angegewachsen. Bis heute ist es das Ziel aller Regierenden, den Eigenheimbau- und kauf zu fördern. Eine Wohnung zu mieten gilt als Übergangsstadium derer, die es (noch) nicht geschafft haben. Die Eigenheimzulage wurde 2005 zwar abgeschafft, allerdings nun durch modernere Förderungen ersetzt. Jetzt sind z.B. auch Modernisierungen förderungswürdig. Und seit 2018 gibt es das sog. Baukindergeld. Dennoch ist der Anteil der Eigenheimbesitzer in den letzten 10 Jahren wieder rückläufig. Bei den 30-39-Jährigen haben nur noch 25% eigene Wände. Und bei denen, die nach dem Studium in Städten wohnen bleiben, ist der Anteil noch geringer. Angesichts steigender Immobilienpreise in Metropolregionen ist es dort für Normalverdiener*innen inzwischen unmöglich, mit dem Einkommen eine Wohnung zu finanzieren.
Luftschloss Eigenheim
Und das nicht nur in Deutschland. In Großbritannien lebten bis Margret Thatcher nur knapp die Hälfte der Menschen in eigenen Wohnungen. Doch dann etablierte Thatcher eine rabiate Privatisierung. Mieter*innen städtischer Sozialwohnungen durften nun ihre Wohnung kaufen. Kommunen sperrte man die Mittel für Neubau und Erhaltung der kommunalen Wohnungen. Diese wurden daher seit 30 Jahren nicht mehr in Stand gehalten. Gleichzeitig hatten private Mieter*innen keinerlei Rechte mehr, können von einem zum anderen Tag grundlos gekündigt werden. So leben heute 64% Briten in eigenen vier Wänden, vielfach allerdings faktisch in denen der Banken. Und der Druck nimmt immer weiter zu. Jetzt dürfen private Investoren ein Kommunalwohnungsviertel nach dem anderen abreißen und durch moderne Bauten ersetzen. Hier kann niemand mehr mit durchschnittlichem Verdienst eine Wohnung mieten oder kaufen.
Und sogar in China
dieselbe Tendenz. Auch hier ist man vor 30 Jahren den Lehren Thatchers gefolgt und hat es den Bewohnern der staatlichen Wohnungen erlaubt, sie zum Spottpreis zu kaufen. Deshalb hat man ausgerechnet im „kommunistischen“ China eine Wohneigentumsquote von 70%. Aber die Kinder der Beglückten haben nicht mehr so viel Glück. Durch die steigenden Immobilienpreise ( in Schanghai seit 2008 jährlich um 10%) kann kaum jemand von ihnen noch dem Vorbild der Eltern folgen. Selbst der Erwerb einer kleine Zwei-Zimmer-Wohnung bleibt für die meisten ein Traum. Für sie bleibt nur das Leben in Wohngemeinschaften 30 bis 60km außerhalb der Stadt. Dennoch kostet die durchschnittliche Zimmermiete dort etwa die Hälfte des Durchschnittseinkommens
Der Traum ist aus
In den metropolartigen Städten der Welt kann heute kaum noch jemand mit durchschnittlichem Verdienst eine Eigentumswohnung kaufen. Der Immobilienboom seit der Finanzkrise hat all diese Träume zunichte gemacht. Bleibt nur die Miete. Doch auch die wird immer höher, in Deutschland u.a. weil schon wieder ein oberstes deutsches Gericht eines der wenigen städtischen Instrumente zum Schutz prekärer Mieter*innen kippte - das Recht der Stadt, in Milieuschutzgebieten statt des geplanten Kaufs eins Investors, das Haus selbst zu kaufen.
Ein herber Rückschlag beim Kampf um soziale Mieten
Wir dürfen nicht hinnehmen, dass nur noch Reiche und Besserverdienende in Städten wohnen. Wohnen darf keine Frage des Geldbeutels sein.
SIEG DER VERNUNFT oder ENTEIGNUNG DER ENTEIGNER
Am Tag der Wahlen wurde in Berlin auch das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ abgestimmt. Eine unglaubliche Mehrheit von 56,7% der Berliner Wähler*innen stimmte für die Enteignung der größten Wohnungskonzerne!
Eine große Mehrheit für Enteignung in einer Stadt, in der der Westteil einst als stramm antikommunistisch galt und der Ostteil mehrheitlich alles was nach DDR roch, nicht schnell genug abstreifen konnte - das ist ein Sinneswandel, wie er nicht gewaltiger sein kann. Seit die internationalen wie nationalen Wohnungskonzerne in Berlin eingefallen sind, hat von den 85% Mieter*innen kaum noch jemand Hoffnung auf einen Markt, der es schon richtet. Die Mieten bei Neubezug haben sich hier seit 2008 verdoppelt. Die Bestandsmieten stiegen um 40%. In der selben Zeit erhöhten sich die Einkommen im Schnitt nur um 15%. So werden die Berliner seit Jahren um ca. 25% ihrer monatl. Mietzahlung enteignet. Das ist die Grundlage des mehrheitlichen Willens, nun endlich die Enteigner selbst zu enteignen.
Tatsächlich ist mit dem Erfolg des Volksbegehrens die reale Umsetzung noch nicht garantiert.
Die Berliner Wahlsiegerin Franziska Giffey hatte sich als entschiedene Gegnerin von „Enteignet Deutsche Wohnen &Co“ positioniert. Jetzt verspricht sie zwar, den Volksentscheid in ein Gesetz umzusetzen. Doch das werde dauern. Ein Gesetz wie den gekippten Mietendeckel wolle sie nicht mehr erleben. Dazu passt, dass zwei juristische Gutachten gehypt werden, die einen „zu großen Eingriff in das Eigentumsrecht“ konstatieren. Diese zwei Gutachten wurden vom Bundesverband für Immobilienwirtschaft in Auftrag gegeben. Dagegen bescheinigen die Rechtmäßigkeit der Enteignung acht andere juristische Gutachten (u.a. vom wissenschaftlichen Dienst des Bundestags) auf Basis Artikel §15 des Grundgesetzes.
Wäre da nicht die Gefahr durch gewisse Richter,
von denen sich nicht wenige zum jährlichen Spitzentreffen der Immobilienwirtschaft Quo Vadis im Berliner Adlon einladen lassen. Dort erklären sie dann dem geneigten Publikum, wie Mieterschutzgesetze für Mieter*innen und auch Kommunen smart umgangen werden können. Eine so gesinnte Richterin hat kürzlich die Kündigung des Mietvertrags eines Akelius-Mieters bestätigt, der nachts “Enteignet Akelius“ auf die Hauswand gepinnt, aber das anschließend wieder gesäubert hatte. Die Richterin begründete die Kündigung damit, dass der Mieter ja nicht gezwungen sei, bei Akelius zu wohnen.
Das Volksbegehren „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ ist ein großer Sieg aller Normalverdiener*innen und der kleinen Leute
Noch in der Abstimmungsnacht hat einer der aggressivsten Wohnungskonzerne, Akelius, den Verkauf sämtlicher Wohnungsbestände in Deutschland bekanntgegeben. Offensichtlich schienen hier die Renditeaussichten unsicher und nicht mehr ganz so golden. Es wird noch viel politischer Druck der Mieter*innen Bewegung nötig sein, so dass die Immobilienpreise kippen und Mieten sinken. Der Film von unten „SOLD CITY – Die marktgerechten Mieter*innen“ wird ein Teil dieser Bewegung sein.
Wohnen darf keine Frage des Geldbeutels sein! Helfen Sie mit, dass der Film „SOLD CITY“ zustande kommt. Aufklärung stärkt unsere Kraft und Solidarität.
SOLD CITY – Vom Schicksal, gut zu wohnen
Ein Patrizierhaus mit mehr als hundert Wohnungen. Im vierten Stock ein wunderbarer Balkon mit Blick auf einen weitläufigen Park. Das über 100 Jahre alte Parkett der Wohnung hat in den vergangenen 30 Jahren das Aufwachsen von vier Kindern fast ohne Kratzer überlebt. Türen mit Bleiverglasungen im Jugendstil werden von Türrahmen mit kunstvollen Holzschnitzereien umfasst. 3,50 Meter hohe Decken sind mit feinstem Stuck verziert. Alles für eine Bestandmiete von 750€. Ja, da kann man schon neidisch werden!
Vor 10 Jahren kam die Wende. Zunächst nur ein Schreiben, die Miete müsse fortan auf ein neues Konto überwiesen werden. Keine Mieterhöhung. Aber dass das Haus an einen Fond mit Sitz in den Malediven verkauft wurde, machte ein mulmiges Gefühl. Als dann das Dach leckte, kümmerte sich die neue Verwaltung nicht um die Reparatur. Selbst als das Fallrohr über der Wohnung leckte, war trotz aller Anrufe niemand erreichbar. Wasserschäden nervten die ersten Mieter derart, dass sie auszogen. Nicht zu verstehende Bauarbeiter in Turnschuhen und T-Shirts begannen sogleich in den leeren Wohnungen mit Modernisierungsarbeiten.
Der Läm und Dreck triebt dann immer mehr Mieter aus dem Haus – befördert von Abfindungsangeboten und derben Kündigungsdrohungen. Nach 10 Jahren wohnt hier nur noch die Familie im vierten Stock – nachts öfters gefordert, mit Kübeln das vom Stuck tropfende Wasser aufzufangen. In den anderen Wohnungen ist jetzt zu sehen, was hier Modernisierung bedeutet: Das wertvolle Parkett ist überall herausgerissen ebenso die geschnitzten Türrahmen, das eingelassene bemalte Bleiglas zerschlagen ebenso wie der Stuck.
Modernisierung als stillose Barbarei Welchen Sinn kann das haben? Ganz einfach: Das Patrizierhaus ist in den 10 Jahren um das Fünffache wertvoller geworden. Jede steril modernisierte Wohnung wird anschließend für mehr als 1 Millon € als Eigentumswohnung verkauft. Für viele ist das nur eine Kapitalanlage und kann dann jenseits von 30 € / qm vermietet werden. Zumindest für den Fond ergibt das eine satte Rendite.
Schläft die Politik, die das zuläßt? Nicht ganz. Ausgerechnet im sog. Baulandmobilisierungsgesetz haben kürzlich SPD-Bundestagsabgeornete gegen den beinharten Widerstand der CDU durchgesetzt, dass Städte die Umwandlung in Eigentumswohnungen erschweren und auch verbieten können, wenn in einem Haus mit mehr als 5 Wohnungen zwei Drittel der Mietparteien gegen die Umwandlung sind. Zweifellos ein Fortschritt – der leider aber nicht greift, wenn es dem „Investor“ gelingt, das Haus komplett zu entmieten. Und viele der im Hauskauf aktiven Fonds haben mittlerweile eine eigene Abteilung, die erforscht, wie staatliche Verbote effektiv umschifft werden. So gibt es schon jetzt, und bald noch viel mehr erfolgreiche Wege, die das Umwandlungsverbot umgehen – wenn nur eine hohe Rendite winkt.
Nur Maßnahmen, die an die Wurzel des „Betongolds“ gehen, haben ein Chance, diese Invasion ernsthaft zu gefährden. Dies könnte die Berliner Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ durchaus leisten. Eine Mehrheit im Volksentscheid am 26.09.2021 würde eine Wende in der Wohnungspolitik für ganz Deutschlands bedeuten. Deshalb der Aufruf an alle: Mobilisieren Sie Ihre Freunde, Bekannten, Kolleg*innen und Verwandte mit Wohnsitz in Berlin! Ein „Ja“ im Berliner Volksentscheid am 26.09.2021 könnte uns allen helfen!
SOLD CITY – Woher kommt der Mietpreiswahnsinn
Die Initiative „Deutsche Wohnen&Co enteignen“ hat der Berliner Wahlleiterin 345.591 Unterschriften (weit mehr als benötigt) übergeben, und damit scheint klar: Am 26. September wird gemeinsam mit der Bundestagswahl in Berlin der Volksentscheid zur Enteignung der großen Wohnungskonzerne stattfinden. Ein historisches Ereignis, das eindeutig bestätigt: Die ungerechtfertigten ständigen Mietsteigerungen und Privatisierungen werden nicht mehr fraglos hingenommen.
Eine der Fragen dabei ist immer wieder, woher kommt überhaupt dieser Mietenwahnsinn. Das Heer von Analysten in den gängigen Medien macht es sich mit der Antwort leicht: Wir, die Mieter*innen, seien selbst schuld. Die Ursache der steigenden Preise sei der immense Zuzug in attraktive Städte.
Was hat der Immobilienboom mit der Finanzkrise zu tun?
Den Zuzug in die großen Städte gibt es allerdings bereits seit mehr als 25 Jahren. Und im Jahrzehnt vor der Finanzkrise 2008 stagnierten und fielen die Wohnungs- und Mietpreise durchschnittlich sogar. Nein, nicht wir sind schuld an den steigenden Mieten, sondern die großen Kapitalanleger, die Vermögens- und Pensionsfonds der Welt, die in der Finanzkrise grundlegend verunsichert wurden, was noch sichere und profitable Anlagen sind. Vor allem institutionelle Anleger hatten früher Staatsanleihen bevorzugt. Doch seit der Griechenland- und Eurokrise ist klar, dass auch Staaten pleitegehen können.
BETONGOLD
So entdeckten die großen Kapitalien das „Betongold“ als Allheilmittel gegen Geldverlust bzw. Inflation. Zahllose Immobilienfonds schossen aus dem Boden. In sie investieren die großen Versicherungen, die Vermögenverwaltungen und die Rentenfonds. Das gesunkene Vertrauen in unser Finanzsystem hat die Flucht riesiger Kapitalvermögen in sog. „Realvermögen“ ausgelöst. Doch Grund und Boden ist ein natürliches Gut, das nicht beliebig vermehrbar ist. Kein Wunder, dass die Preise steigen, wenn sich scheinbar unerschöpfliche Kapitalien auf nicht vermehrbare Immobilien stürzen.
Immobilien als Finanzprodukt
Doch nicht nur die reichsten der Reichen werfen sich auf das „Betongold“. Seit überall in der Welt die Sozialsysteme abgebaut und die Eigenverantwortung der Bürger*innen postuliert wird, wurden auch viele Normalbürger*innen zu Investoren. So führte z.B. Deutschland mitten in der Finanzkrise den sogenannten Wohn-Riester ein – den staatlich geförderten privaten Immobilienerwerb. Immobilien gelten nun als Anlageform für „jedermann“, die Sicherheit und gute Verzinsung garantiert. Ein Beispiel sind auch die Schweizer Pensionskassen. Die meisten Beschäftigten (ab 21.150 Franken Verdienst pro Jahr) unterliegen der Beitragspflicht für die Pensionskassen, die seit 2008 den größten Teil des Kapitals in Schweizer Immobilien investieren und einen gewaltigen Immobilienboom im Land ausgelöst haben. So ist es kein Einzelfall, dass sich Schweizer Pensionäre einer guten Pension erfreuen, die aber von rapide steigenden Mieten aufgezehrt wird. Eine fatale Entwicklung, die in der Finanzkrise hätte vermieden werden können. Aber wie sagte damals die heute so verehrte Bundeskanzlerin Angela Merkel:
„Zur Rettungspolitik gibt es keine Alternative“
Oh doch, die hätte es durchaus gegeben! Gerettet wurden doch mit unseren Steuergeldern vor allem die gigantischen Vermögen des Finanzkapitals, die sich erst durch die Liberalisierung des Finanzwesens mit hochspekulativen Transaktionen bilden konnten. Wer spekuliert, kann gewinnen, aber auch verlieren. Das wäre nur gerecht und heilsam gewesen. Aber mit der Rettung wurden die schnell reich Gewordenen sogar noch reicher. Und es sind diese gewaltigen Kapitalien, die sich seither weltweit auf Immobilien werfen – mit katastrophalen Folgen.
Das große Fressen und eine große verlogene Show
Mitten in die zweiten Runde des Berliner Volksbegehrens „Enteignet Deutsche Wohnen&Co“ platzte das große Fressen: Der größte deutsche Wohnungskonzern Vonovia schluckt den zweitgrößten Deutsche Wohnen. Schon zwei Mal hatte Vonovia das versucht. Stets ist die Konzernspitze am Widerstand namhafter Anteilseigner von Dt. Wohnen u.a. an „Blackrock“ gescheitert, dem größten Anleger. Man solle nicht Öl in das Feuer der wohnpolitischen Auseinandersetzungen in Berlin gießen. Doch nun hat sich der weltgrößte Vermögensfond „Blackrock“ offensichtlich gewendet – mit einer wundersamen Mär:
Der Deal der „Übernahme“ wird verkündet im Roten Rathaus gemeinsam mit dem für den Mietendeckel verantwortlichen Berliner Regierungschef Michael Müller. Vonovia Chef Buch kippt Asche auf sein Haupt: Es sei ein "Unzustand" in Berlin, der ausdrücke, dass die Bürger nicht zufrieden seien mit seinem Unternehmen. Daher wolle die neue, größere Vonovia gemeinsam mit dem Berliner Senat einen "Neuanfang" starten mit dem “Zukunfts- und Sozialpakt Wohnen", um die "Angst von den Menschen zu nehmen". In den kommenden drei Jahren werde es nur Mietsteigerungen höchstens um 1%/Jahr und in den beiden Folgejahren nur im Rahmen des Inflationsausgleichs geben. Hinzu kommen zwar Umlagen der Kosten für energetische Modernisierungen. Aber auch hier verpflichtet sich das Unternehmen, maximal 2 Euro /m² umzulegen. Zusätzlich verkauft Vonovia 20.000 ihrer Wohnungen an den Berliner Senat.
Vonovia bestreitet es zwar,
aber das war eindeutig ein Schlag, der das Volksbegehren aushebeln sollte. Warum noch enteignen, wenn die Mieten praktisch nur noch entsprechend der Inflation steigen.
Ein Blick auf die Fakten
ergibt allerdings ein ganz anderes Bild: Schon 2018 hatte die Bundesregierung per Gesetz die Umlagen für energetische Modernisierung auf 2 bis 3 €/m² begrenzt. Und schon am 6.12. 2018 veröffentliche Vonovia in einem Bericht an die Anleger: „Aufgrund des Widerstandes der Mieter wird auf .. energetische Modernisierungen zukünftig verzichtet, für die Mieterhöhungen von mehr als 2 Euro vorgesehen waren.“ Die aktuelle Versprechen zur Begrenzung der Umlagen auf 2€/m² ist also Null wert und schon längst vollzogen.
Eine durchschnittliche Mieterhöhung/Jahr von 4,4%
hat Vonovia gerade seinen Anlegern versprochen. Wen hat Vonovia angelogen, die Anleger oder uns mit dem aktuellen 1%-Versprechen? Selbstverständlich uns! Aufgefüllt wird die Differenz zwischen 1 und 4,4,% mit „Value-Add“-Geschäften“ wie Vonovia es nennt. Das sind z.B. Fassadendämmungen oder Heizkesselerneuerungen – und das alles mit eigenen Vonovia Firmen. Die Kostenumlage ist bei verschlossenen Heizungskellern kaum kontrollierbar. Dazu kommen immer neue „Serviceangebote“. So werden Mietern beim Abschluss neuer Mietverträge oft gleich auch Stromversorgungsverträge der Vonovia „angeboten“, Hausmeisterdienste, Kabelanschlüsse und Messdienste, die den Mietern über die Betriebskosten in Rechnung gestellt werden. Die intransparenten und wissenschaftlich optimierten Betriebskostenabrechnungen sind schon medienbekannt. So erreicht Vonovia spielend, dass
von jedem Euro Miete 38 Cent in die Taschen ihrer Aktionäre fließen.
Die Märchen des sog. “Zukunfts- und Sozialpakts Wohnen", werden für die Anleger keinen Cent Abstrich und für die Mieter*innen die gewohnten Mieterhöhungen bedeuten,
also kein Grund weniger für ein „Ja“ beim Volksbegehren „Enteignet Deutsche Wohnen&Co“.
Und viele Gründe mehr! Nicht umsonst hat der Konzern mit der juristischen Übernahme bis 1.7.21 abgewartet. Denn dann gilt ein neues Gesetz der CDU-/SPD-Regierung, welches für Dax-Konzerne ein besonderes Bonbon bereithält:
Börsennotierte Unternehmen müssen keine Grunderwerbssteuern mehr zahlen
Dadurch gewinnt Vonovia weit mehr als 1 Mrd.€, die vor allem dem Land Berlin verloren gehen. Doch dies scheint Berlins Regierungschef nicht zu stören. Kauft er doch 20.000 Wohnungen für eine Summe zwischen 3 bis 5 Mrd. €, die Vonovia vorher der Dt. Wohnen mindestens ein Drittel billiger abgekauft hat. So wird Vonovia mit weiteren Steuergeldern subventioniert und Müller will das offensichtlich sogar!
Es ist der Wahnsinn, der den sog. Wohnungsmarkt regiert!
Der Immobilienboom, der die Reichen immer reicher macht, darf nicht auf unserem Rücken finanziert werden! Wohnen darf keine Frage des Geldbeutels sein. Es ist ein Menschenrecht.
Zunächst eine gute Nachricht:
Die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein hat den Mut, das Filmprojekt „SOLD CITY – Die marktgerechten Mieter*innen“ zu unterstützen! Und die „Filmförder*innen von unten“ sind noch großartiger: Schon mit dem ersten Aufruf kamen über 20.000€ zusammen. Ein wunderbarer Grundstein ist gelegt!
Nicht so gut ist, dass der Berliner Mietendeckel vom Bundesverfassungsgericht für „verfassungswidrig“ erklärt wurde. Das hatten viele schon erwartet. Aber ein Skandal ist die Begründung des Verbots: Das Land Berlin habe nicht das Recht, in diesem Bereich ein Gesetz zu erlassen, weil der Bund mit der Mietpreisbremse seine gesetzgeberische Kompetenz voll umfänglich erfüllt habe. Da stellt sich doch die Frage, wie kommt das Verfassungsgericht zu dieser Interpretation der Mietpreisbremse. Dass die Lücken und Schlupflöcher hat, ist eigentlich bekannt. Schon jede minimale Modernisierung macht diese
„Bremse“ wirkungslos. Der Wohnungskonzern Vonovia hat jetzt seinen Aktionären eine durchschnittliche Mieterhöhungsquote von 4,4% pro Jahr versprochen. Das sind in 20 Jahren durchschittlich 228% Mieterhöhung. Die meisten Mieter*innen werden in 20 Jahren wohl noch leben. Doch nur die wenigstens werden dann noch eine weit mehr als verdoppelte Miete zahlen können. Eine Mietpreisbremse, die das zulässt, hat wohl kaum die gesetzgeberische Kompetenz des Bundes „voll umfänglich“ erfüllt. Fern der Wirklichkeit wohnt wohl nicht eine/r der Verfassungsrichter*innen, die das behaupten, zur Miete.
Hohe Mietnachzahlungen sind jetzt in Berlin fällig. Und die Medienmacht hat schon den Schuldigen ausgemacht: Den Berliner Senat. Doch ohne Kläger hätte es ja niemals den Gerichtsentscheid gegeben. Ihr Mieter*innen von Berlin – und das sind immerhin 80% der Berliner*innen – vergeßt nicht, es war Burhard Dregger, der Fraktionsvorsitzende der Berliner CDU und weitere 282 CDU und FDP – Bundestagsabgeordnete, die gegen den Mietendeckel geklagt und sich damit als treue Lakaien des Immobilienkapitals erwiesen haben. Ihnen habt Ihr die Nachzahlungen zu verdanken!
Verfassungsklagen sind mittlerweile Standard, um jedweden Volksentscheid abzuwürgen. Alle Volksbegehren für Mietenstop und gegen Personalnot in Kliniken wurden so kalt gestoppt. Und auch das Volksbegehren „Enteignet Deutsche Wohnen&Co“ wird wohl damit rechnen müssen. Doch ob die Klagen Erfolg haben, wird von den politischen Machtverhältnissen im Land abhängen. Und ein Ergebnis hat das Volksbegehren schon erzielt. Vonovia will nach der Entscheidung des Verfassungsgerichts zum Mietendeckel keine „keine Mieten nachfordern“, weil man vor Volksentscheid nicht unnötig die politische Stimmung anheizen will.
Wohnen darf keine Frage des Geldbeutels sein. Der Immobilienboom, der die Reichen immer reicher macht, darf nicht auf unserem Rücken finanziert werden!
Helfen Sie mit, dass ein Film entsteht, der Wege aufzeigen wird, wie Wohnen wieder den Bewohnern dient und den sog. Wohnungsmarkt in die Schranken weist. Investieren Sie in den Film „SOLD CITY“!
Aufruf zur Unterstützung des Filmprojekts SOLD CITY -Der marktgerechte Mieter
SOLD CITY – Der marktgerechte Mieter
Ein Film von unten von Leslie Franke und Herdolor Lorenz, 92 Min.
Seit der Finanzkrise erleben wir in den Metropolen der Welt einen so nie dagewesenen Immobilienboom mit kontinuierlich wachsenden Boden- und Hauspreisen. Das hat eine spiegelbildliche Kehrseite: Steigende Mieten. Der Zuwachs der Einkommen hält damit nicht mehr Schritt. Gering- und normal verdienenden Menschen droht die Verdrängung aus den begehrten Innenstadtlagen.
Noch bis 1989 waren beim deutschen Wohnungsbau die Gewinne stark reguliert, d.h. an Gemeinnützigkeit gebunden. Seit 1990 soll nur noch der Markt entscheiden. Nicht mehr der soziale Zweck des Wohnens ist das Wichtigste der Wohnungspolitik, sondern die Rendite, die mit Wohnungen erzielt wird.
Rendite ist das Metier der schnell expandierenden Immobilienkonzerne. Die Dax-Konzerne Vonovia, Deutsche Wohnen und andere beherrschen in Deutschland aber zunehmend auch in ganz Europa den Wohnungsmarkt. Sie machen Rekordgewinne, von denen auch Banken nur noch träumen. Die Anteilseigner sind anonyme Rentenfonds und andere Investmentfonds aus aller Welt, die nach der Finanzkrise 2008 auf der Suche nach profitablen Anlagemöglichkeiten das „Betongold“ entdeckt haben.
Die Renditeerwartungen verändern das Stadtbild. Ehemals gewachsene Stadtviertel werden zu herausgeputzten Hipster-Vierteln mit überall gleicher Kunst- und Kneipenkultur. Dorthin strömen die hier Arbeitenden morgens aus Vororten und verschwinden nachts wieder, weil sie die Mieten hier nicht mehr bezahlen können.
„SOLD CITY“ macht nicht nur die Gefahren für die Stadtkultur sichtbar. Zu erkennen ist eine neue soziale Frage und eine immense Gefahr für die Demokratie.
Der Film wird an den Schauplätzen Berlin, Paris, Hamburg, München, London und Wien den Fragen nachgehen, wie die Menschen den Immobilienboom erleben, woher die Preissteigerungen kommen, welche Möglichkeiten und alternative Modelle es gibt, sich ihrer zu erwehren.
Ein Film von unten
„SOLD CITY“ entsteht als „Film von unten“ – finanziert von denen, die ihn sehen wollen, die ihn zeigen wollen, die dieses Hilfsmittel als Aufklärung brauchen. Was so für Verständnis und Mobilisierung geleistet werden kann, zeigen die letzten Projekte der Filmemacher*in „Water Makes Money“, Wer rettet wen?“, „Der marktgerechte Patient“ und „Der marktgerechte Mensch“.
Deshalb rufen wir auf: Nicht der Markt soll entscheiden, wo ich wohne. Wohnen ist ein Menschenrecht.
Unterstützen Sie die Entstehung eines Filmes, der zeigt, wie wir der Spekulation mit Wohnungen den Boden entziehen. Investieren Sie in den Film „SOLD CITY“!