2.5 / Alternativen
2.5.1 / Alternativen / Wien
Wien. 5. Bezirk, Bärengasse. Josephine und Caspar Lugner wohnen seit 36 Jahren in einer geräumigen 4-Zimmer Wohnung mitten in der Stadt. Sie sind unkündbar, solange sie die Miete zahlen. Die beträgt 557,76 EUR für 96 m² Wohnfläche. Mieterhöhungen gibt es entsprechend der Inflationsrate. Was solle man dazu noch sagen, das sei einfach selbstverständlich, genauso wie die gemeinen und die netten Nachbarn, sagt Caspar.
Für Bürgermeister Michael Ludwig ist Wohnen ein Menschenrecht und dürfe nicht dem Markt überlassen werden. 62 Prozent der Wiener*innen profitieren davon. Sie wohnen entweder in einem sogen. Gemeindebau oder im geförderten Wohnbau. Selbst bei privat finanzierten Wohnungen könne die Stadt wegen ihrer marktbeherrschenden Stellung preisregulierend eingreifen. Hier überschreite die Miete nur selten 10 EUR pro m². Doch auch in Wien spüre man seit der Finanzkrise, dass sehr, sehr viel privates Kapital nach Anlagen suche. Deshalb müsse jetzt jede Immobilienfirma, die Wohnbau-umgewidmete Grundstücke kauft, auf zwei Dritteln der Fläche Wohnungen für maximal 5 EUR Miete pro m² bauen. Nur auf dem restlichen Drittel dürfen sie frei kalkulieren. Zudem gebe die Stadt nur noch Bauland an private Investoren, die eigene Grundstücke in Wien an die Stadt verkaufen. So betreibe man eine gezielte Grundstücksbevorratung. Man habe ja auch nie kommunalen Wohnungsbestand verkauft. Kein privater Investor könne mit dem Wohnfond Wien mithalten, der über Grundstücke von drei Millionen m² verfüge. Der Präsident des Wiener Grund- und Hausbesitzerverbands sieht darin eine Enteignung privaten Besitzes, die zum Rückgang des dringend benötigten Neubaus führe. Bürgermeister Ludwig bringt das zum Lächeln. Die privaten Investitionen seien keineswegs rückläufig. Trotz der strikten Regulierung gebe es noch mehr Kaufanfragen privaten Kapitals als die Stadt anbieten könne.
In Wien fällt auf, dass es überall noch Geschäfte gibt, die andernorts steigenden Gewerbemieten zum Opfer fallen. Ein Laden mit tausenden Knöpfen, Reisverschlüssen und allem, was mensch zum Nähen braucht. Ein Geschäft, in dem es ausschließlich Oblaten gibt. Trödelläden, ein Geschäft, mit 70 verschiedenen Fässern Essig und angeschlossenem Hühnerhof. Die meisten können sich halten, weil die Stadt die Vermieterin ist. Waltraud Karner-Kremser, Vorsitzende des Ausschusses für Wohnbau betont, dass zum Erhalt des Wohnwertes die fußläufig erreichbaren kleinen Geschäfte, der Friseur, die Buchhandlung und das Café wichtig seien. Das sei auch eine Maxime bei der Planung neuer Stadtviertel.