2.4 / Hamburg

Doch in Hamburg scheint alles besser: Jährlich mehr als 10.000 neue Wohnungen. Eine überzeugende Antwort auf die Wohnungsnot! Doch leider - der Schein trügt. 80% der Neubauten sind teure Eigentums– und Mietwohnungen. Gleichzeitig fallen Jahr für Jahr mehr Wohnungen aus der Sozialbindung als neue gebaut werden. 380.000 Haushalte haben Anspruch auf eine Sozialwohnung. Die meisten warten vergeblich. Vor diesem Hintergrund fordert ein Volksbegehren, städtischen Grund und Boden in kommunaler Hand zu belassen. "Boden und Wohnungen behalten. Hamburg sozial gestalten". Die vom Mieterverein unterstützte Initiative will erreichen, dass die Stadt Wohnungen und Grundstücke nur noch per Erbbaurecht vergibt – kein Verkauf, sondern Verpachtung auf Zeit. Darüber hinaus soll eine soziale Wohnraumversorgung mit dauerhaft bezahlbaren Mieten erfolgen.

2.4.1 / Hamburg / St. Georg

Hamburg St. Georg, das inzwischen hippe Innenstadtviertel. Unter Heizpilzen lassen es sich in den Cafés Tourist*innen wohlergehen. Sie wissen nicht, dass hier an zwei von drei Tagen Menschen mittels Zwangsräumung ihre Wohnung verlieren: Michael wohnt in der Danziger Straße mit seiner Tochter Nora in einer 45 m² Wohnung. Eine Mieterhöhung auf 1.149 EUR empört ihn. Gerade erst hat er Corona bedingt seinen Job verloren. Den Antrag auf Aussetzung der Mieterhöhung lehnt der Vermieter, der internationale Immobilienkonzern Akelius, ab. Als Michael mit der Mietzahlung säumig wird, folgt erst die Kündigung und dann der Zwangsräumungstitel. Das Einsatzkommando rückt morgens um 5h an. Bald hört man das Bersten der Wohnungstür. Eine Stunde später liegt die Habe der beiden auf dem Gehsteig.

Doch wie ist es möglich, dass Akelius trotz Mietpreisbremse für 45 m² 1.149 EUR verlangt? Der Mieterverein gibt die Antwort: Modernisierung. Ein neues Bad oder energetische Fenster reichen schon, um den doppelten Mietpreis zu rechtfertigen. Der internationale Konzern scheint in diesem Segment einer der Aggressivsten zu sein. Sogar die Vereinten Nationen haben ihn dafür gerügt. „Better living“ – das ist das Motto des Konzerns.

2.4.2 / Hamburg / Mietpreisbremse

Der Wohnungsforscher Christoph Trautvetter hat Modernisierungen systematisch ausgewertet:  „Das Problem ist die Art der Modernisierung. Sie richtet sich nicht nach dem Bedarf der Mieter, sondern nach dem Bedürfnis des Vermieters. Das neue Bad, obwohl das alte noch in Ordnung ist. Das sind Modernisierungen, die der Vermieter braucht, um die Mieten trotz Mietpreisbremse maximal zu steigern.“ Zwischen Juli und September 2020 werden in Hamburg 326 Haushalte zwangsgeräumt – davon 62 in St. Georg. Akelius, eine Stiftung mit Sitz in den Bahamas, erwartet für 2020 eine Rendite von 6 Prozent.