2.1 / Berlin

 Ein unübersehbares Menschenmeer von Demonstrant*innen. Die schon berühmte Berliner Mieter-demo – Jahr für Jahr zunehmend ein Muss für einen Großteil der Berliner*innen.  Hier stößt der Film auf die Protagonisten der Stadt. „Deutsche Wohnen, wir sind nicht Eure Trüffelschweine“, steht auf dem Schildersandwich einer älteren Dame namens Marlies Reimann. 43 Jahre sei sie jetzt in ihrer Wohnung. Seit der Konzern ihr Haus übernommen hat, habe sich die Miete verdoppelt, sagt sie.

 

2.1.1 / Berlin / Marlies

Berlin – Pankow im Osten der Stadt. In warmem Gelb gestrichene 4-stöckige Wohnblöcke der 1920er Jahre. Marlies Reimann steht vor ihrer ebenerdigen Wohnung und ruft die Katze. „Sternchen“ kommt und folgt ihr in den Hof. Über sie hinweg heult ein Flugzeug. Die seien ihr willkommen, meint Marlies, als Schutz gegen noch schneller steigende Mieten. Eine Nachbarin tritt hinzu: Sie wohne seit 1948 hier, wisse aber nicht, wie lange sie die Mietsteigerungen mit ihrer Rente zahlen kann, dabei lasse „Deutsche Wohnen“ alles verrotten.

In Marlies´ Zwei-Zimmer-Wohnung erfahren wir, dass es ihre erste eigene war. Sie hat als Serviererin gearbeitet, aber dafür sei sie nun zu alt. Jetzt hat sie einen Ein-Euro Job in einer Schulbibliothek. Das macht sie gern und ist dort auch beliebt.  Ansonsten bezieht sie Harz IV. Das Sozialamt wolle aber nicht mehr für die steigenden Mieten aufkommen. Doch hier gehe sie nicht raus. „Wenn, dann mit den Füßen zuerst!“

2.1.2 / Berlin / „Das ist unser Haus”

dieses Lied von Ton, Steine, Scherben singen die Mieter*innen der Neuköllner Schöneweider Straße 20 neu getextet auf der Mieterdemo: „Das ist unser Haus, scheiß auf die Rendite, unsere Miete reicht nicht aus“. Ihr Haus soll verkauft werden mit zwei Kitas und 40 Mieter*innen. Dabei sind die verkaufswilligen Eigentümer hier aufgewachsen und haben die Kitas gegründet. Ein Appell an ihre alternative Vergangenheit fruchtete nichts. Die Aussicht auf das große Geld sei stärker, erzählt ein Bewohner.

Besuch auf dem Hoffest. Die Hausbewohner*innen berichten, die Bedrohung habe sie zusammengebracht. Freundschaften hätten sich aufgetan, Musiker sich gefunden. Die Hausband spieltOur house is our home“, Jan und Elisabeth – ein berlinweit bekanntes Duo – singen „Der Traum ist aus, aber wir werden alles geben“. Sogar der Bezirksbürgermeister Martin Hikel ist da. Die Stadt hat in Milieuschutzgebieten wie hier ein Vorkaufsrecht – allerdings nur zu dem Preis, den der Investor bietet. Der Bürgermeister winkt ab. Das Gebot der Immobilienfirma habe alle bezahlbaren Grenzen überschritten. Alternativ offeriert er eine sog. Abwendungsvereinbarung des Bezirks mit dem Käufer. Die kann z. B. Luxussanierungen und Mietsteigerungen einschränken. Was dann vereinbart wird, entzieht sich aber dem Einfluss der Mieter.

2.1.3 / Berlin / Eisenbahnwohnungen

Neukölln, Tellstraße. Hier waren einst Wohnungen für Bahnbeamte. Anfang Zweitausend verkaufte der Bund wegen der geplanten Bahnprivatisierung über hunderttausend Wohnungen an die Deutsche Annington. Nachdem sie auch Werkswohnungen von EON, RWE und BIG Heimbau übernommen hatte, war der größte deutsche Wohnungskonzern Vonovia entstanden. Die Strategie des Konzerns heißt „energetische Modernisierungen“. Damit kann die bundesweite Mietpreisbremse umschifft werden. Gustel Pawlitschek aus der Tellstraße weiß davon ein Lied zu singen. Erst eine neue Heizung, dann neue Fenster, ein neues Bad und stets viel Staub und Krach und anschließende Erhöhung der Miete – mittlerweile wurde sie mit 207% mehr als verdoppelt. Das könne sie nur noch wuppen, indem sie die Beerdigungsrücklagen anzapft. Jetzt hofft Gustl auf den Mietendeckel.

2.1.4 / Berlin / Mietendeckel

Ab 23.11.2020 gilt für Berlin der umstrittene Mietendeckel, das sog. Verbot überhöhter Mieten. Die Mieten werden zu einem Stichtag im Juni 2019  rückwirkend eingefroren. Es gibt zwar Ausnahmen, aber auch die werden bei 20% über der Mietobergrenze gedeckelt. Solch eine strikte Mietregulierung gab es seit 1990 nicht mehr. Burkhard Dregger, der Fraktionsvorsitzende der Berliner CDU, klagt jetzt gegen den Mietendeckel beim Bundesverfassungsgericht. Für Mai 2021 wird die Entscheidung erwartet. Sebastian Scheel, Berlins Bausenator, sieht dem mit Spannung entgegen. Doch selbst wenn das Gericht den Mietendeckel kassiere, werde ein neues Gesetz unter Beachtung der gesetzten Grenzen die Berliner Mieten erneut strikt regulieren – Konfliktstoff vorprogrammiert.

Vonovia verspricht in einer Analysten-Präsentation den Anteilseignern ab 2021 eine Mieterhöhungsquote von durchschnittlich 4,4% pro Jahr durch Modernisierung. Das bedeutet in 20 Jahren 228% Mieterhöhung! Rolf Buch, der Vorstandsvorsitzende des Unternehmens, ist stolz. 1,32 Milliarden Euro Gewinn für 2020. Eine Gewinnsteigerung trotz Corona und anderer widriger Bedingungen. Der Gewinn wäre allerdings noch höher ohne den Mietendeckel. Er habe das Wachstum der Mieten für die Berliner Wohnungen auf 0,8 Prozent ausgebremst. Bei einem Drittel mussten die Mieten gar gesenkt werden. Aber man habe die Hoffnung, dass das Bundesverfassungsgericht diesen Spuk stoppt. „Den Mietendeckel zu machen ist dasselbe wie beim Mangel an Brot den Brotpreis zu reduzieren“ Aber kein Aktionär solle beunruhigt sein, meint Buch. Man zahle trotzdem eine Rekorddividende.